17.06.2025
Komplexe gesetzliche Vorgaben, sicherheitskritische Infrastrukturen und knappe Budgets machen den digitalen Wandel zur Herausforderung. Die Technik bildet dabei die Grundlage für die Digitalisierung in diesen Bereichen. Laut dem Digitalisierungsindex Mittelstand 2024 liegen Ver- und Entsorgungsunternehmen beim digitalen Reifegrad deutlich unter dem Branchendurchschnitt – im Schnitt nur bei 68 von 100 Punkten (Quelle: Digitalisierungsindex 2024, Telekom).
Und das, obwohl der Bedarf enorm ist. In den letzten Jahren hat sich die Entwicklung der Digitalisierung in diesen Sektoren nur langsam vollzogen. Bürger erwarten heute einen besseren, digitalen Service – von der Online-Schadensmeldung bis zur transparenten Abrechnung. Gleichzeitig kämpfen Stadtwerke, Pflegeeinrichtungen und Entsorger mit massivem Personalmangel und langen Reaktionszeiten. Digitalisierung wäre hier nicht nur eine Frage der Effizienz – sondern der Zukunftsfähigkeit.
Die Folge der schleppenden Digitalisierung ist, dass sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft wichtige Chancen zur Optimierung und Modernisierung verlieren.
Die zentrale Frage lautet daher: Wie gelingt der Spagat zwischen gesetzlicher Regulierung, knappen Ressourcen und der Notwendigkeit, digitalen Service für Bürger und Mitarbeitende zu ermöglichen?
Digitalisierung in systemrelevanten Sektoren ist kein reines Technologie-Thema – sie ist ein Balanceakt zwischen gesetzlichen Anforderungen, technischen Abhängigkeiten und finanziellen Spielräumen. In der Praxis treten dabei häufig Probleme auf, die die Umsetzung digitaler Prozesse erschweren, etwa durch rechtliche, technische oder soziale Herausforderungen. Vier typische Bremsfaktoren verzögern derzeit den Fortschritt:
Ein gezielter Einsatz digitaler Technologien kann jedoch helfen, diese Probleme zu ĂĽberwinden und die Digitalisierung in diesen Bereichen voranzutreiben.
Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser, Entsorgung und Sozialwirtschaft unterliegen strengen Vorgaben – vom IT-Sicherheitsgesetz 2.0 über die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bis zu branchenspezifischen KRITIS-Anforderungen. Für digitale Lösungen bedeutet das: kein Fortschritt ohne dokumentierte Nachweise, Redundanzkonzepte und detaillierte Zugriffsregeln.
Laut Bundesnetzagentur ist die Einhaltung von KRITIS-Anforderungen Grundvoraussetzung für jede IT-Änderung im Strom- und Gasbereich
(Quelle: BNetzA KRITIS)
Die meisten Unternehmen in der Daseinsvorsorge unterliegen regulierten Entgelten. Das bedeutet: Investitionen in moderne Software, digitale Workflows oder neue Schnittstellen müssen in starre Finanzierungsmodelle passen – was oft nicht der Fall ist.
Die CINES-Marktbeobachtung 2024 zeigt: „Digitalisierungsprojekte bleiben häufig auf halber Strecke stecken, weil die Anschlussfinanzierung fehlt“
(Quelle: Fraunhofer CINES 2024)
Viele dieser Unternehmen arbeiten mit heterogenen Altanlagen, inkompatibler Software und individuell gewachsenen IT-Strukturen. Neue Systeme lassen sich oft nur schwer integrieren – wenn überhaupt.
In der Praxis sehen wir häufig nicht den Mangel an Ideen, sondern an standardisierten Schnittstellen und medienbruchfreien Prozessen.
Nicht nur in der Pflege oder bei den Entsorgern fehlen Fachkräfte – auch IT-Personal ist rar. Ohne digitale Projektverantwortliche oder Change-Manager im Haus bleibt die Umsetzung externer Lösungen Stückwerk.
Laut Bitkom fehlen allein im öffentlichen und versorgungsnahen Bereich rund 33.000 IT-Fachkräfte (2024).
(Quelle: Bitkom Fachkräftemonitor)
Die Herausforderungen sind real – aber lösbar. Wer die Ursachen kennt, kann gezielt anpacken und Förderprogramme, Standards und externe Expertise nutzen, um aus der digitalen Bremse einen Beschleuniger zu machen.
Trotz aller Hürden ist der Druck zur Digitalisierung in systemrelevanten Unternehmen so hoch wie nie – nicht aus modischen Gründen, sondern aus purer Notwendigkeit. Denn wer Versorgung sichern, Personal finden und Bürger begeistern will, braucht heute digitale Strukturen. Drei zentrale Treiber sprechen dafür:
Selbstverwaltungen, Serviceportale, Live-Störungsmeldungen oder digitale Gebührenbescheide – Bürger und Unternehmen erwarten von Versorgern längst das gleiche Nutzererlebnis, das sie von Banken oder Online-Shops gewohnt sind. Wer hier mit veralteten Formularen, Briefverkehr oder starren Servicezeiten arbeitet, verspielt Vertrauen.
„Digitale Serviceangebote sind für die Generation 30+ kein Bonus, sondern ein Mindeststandard.“
(Quelle: Digitalverband Bitkom, BĂĽrgerbarometer 2024)
Gerade in systemrelevanten Branchen sind die Personalengpässe gravierend. Die Pflege braucht bis 2035 fast 1,8 Millionen neue Kräfte, im Bereich Ver- und Entsorgung gehen zehntausende Mitarbeitende in Rente. Digitalisierung kann keine Menschen ersetzen – aber Prozesse entschlacken, Dokumentation vereinfachen und Arbeitgeber attraktiver machen.
Laut einer Studie des Fraunhofer IAO (2025) wünschen sich über 60 % der befragten Pflegekräfte digitale Unterstützung in der Dokumentation und Schichtplanung.
(Quelle: Fraunhofer IAO, Smart-Day 2025)
Ob Stromnetzsteuerung, Leckage-Erkennung im Wassernetz oder optimierte Abfalllogistik: Ohne digitale Werkzeuge lassen sich Energieeffizienz und CO₂-Ziele nicht realisieren. Digitale Infrastruktur ist also nicht Kür, sondern Pflicht – gerade für Versorger, die Nachhaltigkeit ernst meinen.
Smart Grids und digitale Netze könnten bis 2030 rund 20 % der deutschen CO₂-Einsparziele ermöglichen.
(Quelle: Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“, 2023)
Digitalisierung ist kein optionales Upgrade. Sie ist der Schlüssel, um Bürger zu erreichen, Personal zu entlasten – und den gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Wer jetzt investiert, sichert sich Innovationskraft und Systemrelevanz für die Zukunft.
Trotz Herausforderungen zeigen viele Organisationen bereits, wie Digitalisierung in systemrelevanten Branchen funktioniert – zielgerichtet, pragmatisch und mit messbarem Nutzen. Hier sind vier exemplarische Best Practices, die Mut machen:
Die Stadtwerke Wunsiedel setzen seit Jahren auf ein intelligentes Energiemanagement mit Smart-Grid-Plattformen. Dank Sensorik und Datenanalyse lässt sich der Stromverbrauch lokal ausbalancieren – auch bei volatiler Einspeisung durch Solar und Wind.
Nutzen: geringere Netzausbaukosten, weniger Stromausfälle, bessere Prognosen
Quelle: CINES Praxisbeispiele
Die Berliner Wasserbetriebe nutzen ein digitales Leitungsnetz mit Leckage-Analyse, das mithilfe von Drucksensoren ungewöhnliche Muster erkennt. So werden Rohrbrüche frühzeitig gemeldet und gezielt repariert.
Nutzen: bis zu 30 % weniger Wasserverlust, kürzere Reaktionszeiten
Quelle: Digitalisierungsindex Versorger 2024
Die Diakonie Württemberg nutzt ein cloudbasiertes Pflegemanagementsystem, das mobile Pflegedokumentation, Dienstplanung und Tourenverwaltung vereint. Pflegekräfte können unterwegs per App dokumentieren, was Pflegebedürftige entlastet und Qualität erhöht.
Nutzen: weniger Bürokratie, höhere Pflegequalität, Zufriedenheit bei Fachkräften
Die Beispiele zeigen: Digitalisierung ist möglich – auch unter schwierigen Bedingungen. Wichtig sind konkrete Ziele, skalierbare Lösungen und der Mut, neue Wege zu gehen. Der Wandel muss nicht groß beginnen – aber er muss beginnen.
Fachkräftemangel ist heute keine Prognose mehr, sondern Realität – besonders in systemrelevanten Bereichen wie Pflege, Entsorgung und Energieversorgung. Digitalisierung kann diesen Engpass nicht auflösen, aber erheblich abmildern. Denn: Moderne Arbeitsmodelle, digitale Tools und attraktive Arbeitsbedingungen machen Unternehmen wettbewerbsfähiger auf dem Arbeitsmarkt.
Dokumentationspflichten, Papierberge und manuelle Abläufe kosten täglich wertvolle Zeit. Digitale Schadensakten, mobile Pflege-Apps oder automatisierte Schichtpläne reduzieren den Verwaltungsaufwand spürbar.
In der Pflege beträgt die durchschnittliche Zeitersparnis durch digitale Dokumentation bis zu 90 Minuten pro Tag
(Quelle: Curacon PflegeDigital-Studie 2024)
New Work bedeutet nicht nur Homeoffice, sondern auch Selbstorganisation, zeitliche Flexibilität und digitale Weiterbildung. Gerade in Schichtbetrieben oder technischen Diensten machen digitale Planungs-Apps, Feedbacksysteme oder digitale Onboarding-Portale einen großen Unterschied.
63 % der Beschäftigten in kommunalen Versorgungsunternehmen würden laut Fraunhofer gerne mehr mobil oder flexibel arbeiten – sofern Prozesse es zulassen
(Quelle: Fraunhofer IAO, Work4Future-Projekt)
Auch das Recruiting profitiert: Wer digitale Werkzeuge nutzt, kann Stellen schneller besetzen, mit modernem Image punkten und neue Zielgruppen erreichen. Ob digitale Bewerbungsprozesse, Karriereportale oder virtuelle Einblicke ins Unternehmen – modernes Employer Branding braucht digitale Basis.
Unternehmen mit digitaler HR-Infrastruktur besetzen Stellen im Schnitt 26 % schneller
(Quelle: Stepstone HR Report 2024)
New Work ist kein Fremdwort mehr – auch nicht in Stadtwerken, Pflegeheimen oder Wasserwerken. Digitalisierung schafft Raum für attraktive Arbeitsbedingungen, gibt Mitarbeitenden mehr Autonomie und verbessert langfristig die Chancen im Wettbewerb um Talente.
Die Digitalisierung systemrelevanter Unternehmen ist kein Selbstzweck – sie entscheidet darüber, ob Versorgung zuverlässig bleibt, ob Bürger Vertrauen behalten und ob Mitarbeitende entlastet werden können. Umso wichtiger ist ein strategisches Vorgehen. Aus zahlreichen Projekten im Umfeld Energie, Wasser, Abfall und Sozialwirtschaft lassen sich klare Empfehlungen ableiten:
Orientieren Sie sich an konkreten Versorgungsaufträgen und Nutzerbedürfnissen – nicht an Technologie-Trends. Was nützt dem Bürger? Was entlastet Ihr Team?
Erste Projekte mit begrenztem Umfang zeigen schnell Nutzen und schaffen Akzeptanz. Beispiele: digitale Schichtplanung, mobile Schadensaufnahme in der Pflege.
Programme des BMWK, der Länder oder aus dem Innovationsfonds der Pflege bieten wertvolle finanzielle Starthilfe
Gerade bei KRITIS: Security und Datenschutz „by design“ planen – von der Architektur über Schulung bis zum Berechtigungskonzept.
Digitale Transformation ist immer auch Kulturarbeit. Ein gutes Change-Management ist entscheidend fĂĽr die Akzeptanz im Alltag.
Als Digitalisierungspartner mit Erfahrung in systemrelevanten Sektoren bieten wir:
Digitalisierung ist für systemrelevante Unternehmen kein Nice-to-have, sondern eine notwendige Voraussetzung für Versorgungssicherheit, Fachkräftebindung und nachhaltigen Service. Wer heute handelt, gestaltet aktiv die Zukunft – für Bürger, für Mitarbeitende, für die Organisation.
Kunden können von maßgeschneiderten Service-Management Konzepten profitieren: abgestufte Service-Verträge, zubuchbare Service-Bausteine und Managed Services für EASY-Lösungen. Unser Leiter Service und Support spricht über das Portfolio, die Besonderheiten und welche Vorteile dadurch für Anwender und IT-Abteilungen entstehen.
mehr lesenDie Energiewende ist ein ambitioniertes, gesamtgesellschaftliches Projekt, das zahlreiche Akteure und komplexe Prozesse umfasst. In diesem Kontext spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle, insbesondere im Umgang mit Dokumenten und dokumentenbasierten Prozessen. Hier setzen elektronische Akten (eAkte) und Dokumentenmanagementsysteme (DMS) an, die für Effizienz und Transparenz sorgen. Doch wie genau hängen die Energiewende und eAkte zusammen?
mehr lesenIn der Zeit der digitalen Transformation stehen Unternehmen vor zahlreichen Herausforderungen. Eine der größten? Die Einhaltung von Compliance und Rechtskonformität. Doch was bedeutet das genau, und wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind? Tauchen wir ein in die Welt der digitalen Compliance am Beispiel des Hinweisgeberschutzgesetzes.
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